Die USA verabschieden sich von der Netzneutralität | Welt | DW

Das Bekenntnis der USA dazu war 2015 ein Erfolg für Netzaktivisten. “Das Internet ist das ultimative Werkzeug für die freie Meinungsäußerung”, hatte der damalige Chef der US-Aufsichtsbehörde für Telekommunikation FCC, Tom Wheeler, gesagt. Den Providern dürfe nicht die Funktion eines “Schleusenwärters” zufallen, der über die verfügbaren Netzinhalte entscheidet.
“Deregulierung führt zu Investition”
Ajit Pai, sein Nachfolger an der Spitze der FCC, sieht das ganz anders. Er ist der Auffassung, der Markt müsse sich ohne politischen Einfluss selbst regulieren, denn die Regeln seien investitionsfeindlich. In einem Gastbeitrag im “Wall Street Journal” argumentierte Pai: Blieben die Regulierungen bestehen, müssten Amerikaner in einigen Regionen Jahre auf schnellere Internetleitungen warten.
Schon 2015 war Pai Teil des Gremiums und hatte dagegen gestimmt, als die Aufsichtsbehörde den Zugang zu Breitband-Internet als Teil der öffentlichen Grundversorgung einstufte, ähnlich des Zugangs zu Wasser-, Strom- oder Telefonnetzen. Nun ist er der Leiter der Behörde und die Zustimmung für seinen Vorstoß galt als sicher.

Kein festgeschriebenes Gesetz
Genau das ist die Achillesferse der Netzneutralität in den USA: Sie ist bisher nur eine regulatorische Entscheidung einer Behörde und nicht gesetzlich verankert. “Wenn sich die Administration ändert, dann hat sie mehr oder weniger im Alleingang die Möglichkeit, dieses entscheidende Gremium neu zu besetzen und diese Regeln schlicht aufzuheben”, erklärt Tomas Rudl. Der Journalist beschäftigt sich bei dem Portal “netzpolitik.org” mit Infrastrukturthemen, darunter auch die Netzneutralität. Das Portal versteht sich als journalistisches Angebot für digitale Themen, aber mit der eindeutigen Haltung für absolute Netzneutralität und digitale Freiheitsrechte.
Konkret heißt das: Die FCC-Mitglieder werden vom US-Präsidenten auf fünf Jahre benannt und vom Senat bestätigt. Maximal drei der fünf Mitglieder dürfen derselben Partei angehören. Aktuell ist die Kommission mit drei Republikanern und zwei Demokraten besetzt. Entsprechend fiel dann auch die Entscheidung im Verhältnis 3:2.
Diese Arbeitsweise ist Jessica Rosenworcel ein Dorn im Auge. Sie ist eine der beiden demokratischen Mitglieder. “Da läuft etwas nicht richtig, wenn ein paar nicht gewählte FCC-Beamte solche weitreichenden Entschlüsse über die Zukunft des Internets fassen”, schrieb sie einem Beitrag für die “LA Times”.

Sie warnt: Ohne Netzneutralität könnten Internetanbieter den Zugang in schnelle und langsame Bahnen aufteilen und den Datenverkehr von Plattformen bevorzugen, die dafür gezahlt haben. Alle anderen könnten auf “holprige Straßen” geschickt werden. Die Annahme, dass die Deregulierung zu mehr Investitionen führen würde, bezeichnet Rosenworcel als “fragwürdig” – und kritisierte damit Pai, ohne ihn beim Namen zu nennen.
Die andere demokratische Kommissarin, Mignon Clyburn, sagte am Tag der Abstimmung, das Ende der Netzneutralität händige “einer Handvoll Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen” die Schlüssel zum Internet aus. Michael O’Rielly – republikanischer Kommissar – meint dagegen, die Abschaffung werde “das Internet nicht zerstören”.